Regensburg, 31°C, die Frisur hält – Von Butterbabies und Schüttelreimen

Stellt euch einen Zug vor, in dem – nahe beieinander – sieben junge Slampoeten und fünf Slammaster sitzen. So sind wir nämlich angereist. OK, ich werde für euch ein bisschen mehr ins Detail gehen.

(Randnotiz: Zu dieser Zeit ereignete sich etwas gar Fantastisches: Auf dem Bildschirm des Autors erschien ein Bluescreen.)

Unsere kleine Tour begann am Donnerstag, dem 11. Juni 2015.
In St.Gallen trafen sich diese zwölf Slambegeisterten und tuckerten mit der Bahn nach München. Dabei nicht fehlen durften selbstverständlich so löblich flache Witze wie: „Was hängt an der Wand, macht Tick Tack und wenn es herunterfällt, ist die Uhr kaputt?“
Es wurde gelacht, Karten gespielt und sich gegenseitig besser kennengelernt, da man ja einige der Starter nur ein-, zweimal zuvor gesehen hatte.

In Regensburg angekommen stellten wir gleich etwas fest: Es regnete nicht. Nein, ganz im Gegenteil: die Sonne brannte nur so auf unsere kleinen, mit Gedichten und Geschichten gefüllten Köpfchen.
Wir fanden dann das Jugendzentrum W1 ohne Probleme und machten uns schon einmal mit den ersten freundlich aufdringlichen jungen Slammern bekannt. Mit dem Zimmerschlüssel in der Hand und der Taube auf dem Dach machten wir uns auf den beschwerlichen Weg, diese sagenumwobene Jugendherberge zu finden. Trotz vereinfachter Darstellung und mehreren vorhandenen Karten, mussten wir uns von einem freundlichen jungen Herrn mit einer Slackline den Weg weisen lassen. Und so kam es dann, dass wir nur mit wenig Verspätung auf den richtigen Weg zurückfanden und uns die letzten Meter dann noch von einem gewissen Slam Poeten, zuerst falsch dann richtig, gezeigt wurden.

Nach dem Abladen unseres Gepäcks machten wir uns postwendend wieder auf in Richtung Vorrunde 1. Da jedoch die Vorrunde 3 mit June Stone, Jonas Balmer und Lukas Lehner sich geographisch zu weit von den restlichen Vorrunden abspielte, waren wir leider gezwungen, uns aufzuteilen. Ich ging also – wie gesagt – in Vorrunde 1, wo, nach einem wunderbaren Sacrifice (Ahoi, ihr Landratten!) mit Max Kaufmann und Joël Perrin gleich zwei Schweizer um eine Halbfinalteilnahme kämpften. Wegen der stark besetzten Vorrunde – obwohl eigentlich alle Vorrunden an den Meisterschaften stark besetzt sind – überraschte Monsieur Perrin mit dem Einzug ins Halbfinale. Dabei war er gar punktgleich mit Max Kaufmann, so dass die Streichnoten beigezogen werden mussten.
Da der Zeitplan etwas knapp bemessen wurde, überschnitten sich einige Vorrunden, weshalb wir nur einen kurzen Blick in die Vorrunde 2, ohne Schweizer Beteiligung, werfen konnten. Nicht zu vergessen waren jedoch auch immer wieder Austritte an die frische Luft, denn die Hitze drückte auch um 8 Uhr abends noch mächtig in die gefüllte Mälze (so der, bisher nicht erwähnte, Name der Location).

Wie uns später berichtet wurde, musste Vorrunde 3 aufgrund fehlender Zuschauer um einiges später gestartet werden. Doch man darf sagen, das Warten hatte sich gelohnt. Denn mit Jonas Balmer schaffte es ein weiterer Schweizer ins Halbfinale.
In Vorrunde 4 waren wieder zwei junge Schweizer mit von der Partie, Sarah Altenaichinger und Hannes Schraner. Und wieder durften wir uns freuen, Sarah Altenaichinger gelang ebenfalls der Einzug ins Halbfinale.
Die letzte Vorrunde des Abends fand schliesslich ohne Schweizer Poeten statt, somit durften wir den elf Slammern aus Deutschland und Österreich genüsslich und zufrieden zuhören und warteten gespannt auf den nächsten Tag, den Freitag, dem 12. Juni.
Es begab sich, dass Vorrunde 6 um 11.00 Uhr, in einem Gymnasium mit Olga Lakritz im Line-Up stattfand. Trotz der „frühen“ Tageszeit waren die Schüler frohen Mutes, so wie wir alle es wohl immer waren (oder noch sind), wenn der reguläre Stundenplan ausfällt. Wir sahen eine wunderbare Vorrunde, doch leider reichte es der Schweizermeisterin im u20 Slam nicht ganz zum Halbfinale.

Über den restlichen Tag verteilt gingen wir lecker vegan zu Mittag essen (Ja, das geht!), die Stadt erkunden, Eis essen und fanden uns schliesslich um 20:00 Uhr in der Mälze, respektive 20:30 Uhr im leeren Beutel ein. Ihr dürft raten, genau, es hiess wieder: Aufteilen. Mich zog es einmal mehr in die Mälze, wo Sarah Altenaichinger von der (halben) Schweizer Fraktion der Rücken gestärkt wurde. Es ging pünktlich los und zuerst durfte das Opferlamm natürlich nicht fehlen, welches wunderbar energetisch performte. Schliesslich ging es ums Eingemachte und Sarah setzte sich als sechste Poetin des Abends sogleich an die Spitze. Da im Halbfinale allerdings zwölf Dichterinnen und Dichter antreten und nur fünf ins Finale einziehen, musste sie noch einen, der folgenden Slammer hinter sich lassen. Und gleich nach der siebten Poetin stand fest, Sarah Altenaichinger tritt im Finale an! Was für eine Freude, was für ein Abend. Euphorie, Euphorie (nur weniger sarkastisch).

Parallel dazu fand ja bekanntlich im leeren Beutel das zweite Halbfinale statt. Dort mit dabei: Jonas Balmer und Joël Perrin. Doch trotz meines versandten SMS („D’Sarah isch im Final!“) liess die Antwort auf sich warten. So kam es, dass wir erst erfuhren, wer es sonst noch ins Finale geschafft hatte, als wir in den leeren Beutel pilgerten, wo das zweite Halbfinale soeben seinen Höhepunkt erreichte. Und es stellte sich heraus: Sowohl Jonas Balmer als auch Joël Perrin haben es geschafft! Es wurde umhergehüpft, umarmt, gejubelt, umarmt, geherzt, gejolt, umarmt und weitere, mit Freude behafteter Verben eingesetzt.
Damit waren aus acht Startern für die Schweiz und von zehn Finalisten mit Sarah Altenaichinger, Joël Perrin und Jonas Balmer drei Schweizer im Finale der deutschsprachigen Meisterschaften des u20 Poetry Slams in Regensburg!

Diese wunderbare Nacht konnte danach auch wunderbar abgeschlossen werden mit dem anschliessend stattfindenden Jazz Slam, wo sich unter anderem June Stone mit dem Erfinder des Poetry Slams, dem „Slam Papi“ Marc Kelly Smith messen durfte. Und obwohl dieser nicht wusste, dass er offiziell im Wettbewerb stand, wurde er am Ende Regensburger Vize Jazz Slam Meister, hinter dem Sieger Tino Bomelino. Nicht zu vergessen gilt dabei die hervorragende Moderation von Hazel Brugger, die übrigens, egal wie verrückt das auch klingen mag, eine Mischung aus Cara Delevingne und der ehemaligen Deutschlehrerin von Pierre und mir sein könnte. Endgültig ausklingen liessen wir den Abend dann noch vor dem leeren Beutel, mit Getränk in der Hand und spannenden Gesprächen auf den Lippen und dem Hinterteil auf dem Boden.

Es kam, wie es immer kommt nach einem Freitag: der Samstag. Wir genossen das prächtige Wetter, spielten Karten, assen leckeres veganes Essen (erneut) und landeten schliesslich im W1, wo das Slammermeeting stattfand. Ich, und weitere, teils neu gefundene Freunde, tranken jedoch lieber genüsslich Kaffee und warteten auf das Stattfinden des Slammastermeetings. Das ist jedoch alles nicht so wahnsinnig spannend, daher springe ich gleich weiter zum entscheidenden Abend.

Um mich vor dem Finale noch etwas abzukühlen und damit ich die Badehose nicht umsonst eingepackt hatte, wagte ich den Sprung ins erfrischende kühle Nass der Donau (Kilian Ziegler hätte sich gefreut).
Gegen 20:00 Uhr war es dann so weit. Das grosse Audimax der Universität Regensburg, mit über 1000 Zuschauern war bereit für das grosse Finale. Volvo Volvo Volvo kann ich da nur sagen.

Leider erwischte Sarah mit dem 1. Startplatz eine denkbar ungünstige Voraussetzung für das Finale, doch liess sie sich davon nicht beeindrucken und zeigte eine sehr starke Performance. Mit der Startnummer drei kam Joël Perrin an die Reihe. Auch er überzeugte mit seinem Auftritt und hielt sich danach lange im Rennen um den Einzug ins finale Stechen, wurde allerdings von der drittletzten Poetin um 0.1 Punkte aus dem Topf der besten Drei geschubst.
Als letzter Schweizer und letzter Poet des Finales lag es schliesslich an Jonas Balmer, das Audimax zu begeistern. Und das tat er auch. Jonas Balmer stiess ins finale Stechen der letzten Drei vor, zusammen mit Sarah Lau und Jule Eckert! Es gab eine Pause, ein neues Bier musste her und los ging die Entscheidung um den Titel des deutschsprachigen Champions des u20 Poetry Slams 2015.
Doch bevor es so richtig spannend wurde, durfte der Godfather of Slam, Marc Kelly Smith, auf der Bühne zeigen, dass er trotz seinen 66 Jahren noch lebendiger als so mancher Zuschauer ist. Mit seiner Performance brachte er nicht nur ein paar junge Slammerherzen zum Schmelzen, sondern überforderte auch ein wenig das Publikum, dass seinem Elan nicht ganz folgen konnte.

Als erste Poetin war Jule Eckert gefordert, ihr Urknall aller Liebesgeschichten kam beim Publikum merklich gut an und so lag es an Sarah Lau, sie herauszufordern. Mit ihrem wunderbaren Text setzte sie sich denkbar knapp vor Jule Eckert, mit 0.1 Punkten Vorsprung.
Last but not least: Jonas Balmer. Der Slam Poet aus Uster hatte erst im Oktober 2014 seinen ersten Auftritt absolviert und stand nun im Finale, unter den besten drei Poeten. Ruhig und trocken wie immer performte er seinen Text „Eine Enzyklopädie von A bis Z“. Das Publikum war begeistert. Uns konnte nichts mehr auf den Sitzen halten und bevor die Punkte vergeben wurden, standen wir auf, drängten uns an die Seite der Bühne und warteten gespannt auf die Jurywertungen.

3, 2, 1, Noten hoch. Und da wussten wir es, Jonas Balmer war der u20 Champion 2015! Wir schrien unsere Freude in das grosse Audimax, dass auch gleich alle Gäste wussten; Aha, da sind auch ein paar Schweizer anwesend. Am liebsten wären wir kopflos auf die Bühne gestürmt und hätten den Wuschelkopf umarmt, doch wir warteten geduldig ab, bis der offizielle Teil der Veranstaltung abgeschlossen war.
Danach gab es kein Halten mehr. Zuerst wurde Jonas in die Arme von zwölf Helvetiern geschlossen, danach wurden auch die anderen Finalisten geherzt, und einfach alle, die sonst noch auf oder um die Bühne standen. Du meine Güte, was da alles an Endorphinen ausgeschüttet wurde.
Auf dem weg zur After-Show Party sangen wir dann, zum Leid oder Belustigung vieler, Lieder von Mani Matter, Züri West und und und. Ihr könnt euch vorstellen, wie wir danach bis in die frühen Morgenstunden gefeiert haben.

Der Abschied von den vielen lieben Slammern, den wunderbaren Slammastern, den grosszügigen Organisatoren fiel dann erwartungsgemäss schwer. Und auch heute, eine Woche nach diesen grossartigen vier Tagen in Regensburg, sehnt man sich zurück. Die Vorfreude auf Magdeburg ist da, aber es dauert noch ein Weilchen. Hoffentlich sieht man sich bald mal wieder, ihr netten Menschen.

Vielen Dank (und es Grüessli us de Schwiiz)

Fabian

UND JETZT ALLE:
„Hey Jonas, du bisch en coole Typ,
das wüsset mir und alli Lüt,
drum mach doch mit, bis üssem Hit,
bi üssem Schüttel-Schüttel-Hit:
Und obe schüttel schüttel, schüttel schüttel schüttel,
und une schüttel schüttel, schüttel schüttel schüttel,
und rechts schüttel schüttel, schüttel schüttel schüttel,
und links schüttel schüttel, schüttel schüttel schüttel“