TSCHÜSCH ALTI, WAS FÜR E GEILI MEISCHTERSCHAFT*

*heisst so viel wie «Scheisse, Alter, was war das ’ne geile Meisterschaft»

Es ist Sonntagabend, knapp 23 Uhr und hinter mir (und auch den anderen Schweizern) liegt eine rund zehnstündige Odyssey.
Ich besuche gleich zuerst einmal Facebook um unzählige Meldungen zu durchforsten und neu gefundene Bekanntschaften aus Magdeburg mittels Facebook-Freundschaft zu festigen. Es wird wohl noch ein Weilchen dauern, bis ich alle ausfindig gemacht habe. Vor allem weil ich bei manchen nur knapp den Vornamen kenne – sofern ich mich an diesen noch erinnern kann. Sorry.

Magdeburg, oh Magdeburg

Vieles wurde über dich gesagt. Es wurde viel geflucht, gefürchtet, diskutiert, beschwichtigt, korrigiert, gemeldet und schliesslich waren wir dann da.
Zehn kleine Schweizer aus der zähen, kleinen Schweiz. Und wir kamen also an in dieser – zumindest aus meiner Perspektive – etwas an Charakter fehlenden Stadt und machten uns auf’n Weg gen Riff (auf einen Wortwitz sei hier aus Rücksicht auf bleibende mentale Schäden verzichtet worden).

Akkreditierung lief super, wir trafen unsere ersten Verbündeten (Svensel!), erste Umarmungen fielen und doch mussten wir gleich wieder los: TURM, Halle. Da traten gleich Joël und Gina in der 1. Vorrunde an.
Grosszügig wurden Laure, unsere beiden Starter und ich zum Car (das steht in der Schweiz für Bus) gebracht und haben mit ca. 10 Menschen versucht, diesen zu füllen – es gelang nicht, es hatte noch viel Platz. Doch das machte die Fahrt umso gemütlicher. Und so machten wir uns auf eine zweite kleine Odyssey – nach der 9-stündingen Hinfahrt – gen Halle.

(Wie mir später mitgeteilt wurde, fuhr ebendieser Car bewusst über Landwege, um den Stau zu umgehen. Danke dafür. Eine 10 fürs Krisenmanagement! Trotzdem, das hat sich verdammt lange hingezogen)

In Halle angekommen betraten wir den wunderbaren Turm und lernten bereits nette neue Gesichter kennen. Der Slam war etwas spärlich gefüllt, doch die Stimmung war gut und konnte auch von kurzfristigen Moderator*innen-Wechseln nicht durchbrochen werden.

Bei all den Schreiberlingen qualifizierten sich schliesslich Marike Sklarski, Aylin Celik, Anna-Lena Obermoser und «unsere» Gina Walter vollkommen überraschend für das Halbfinale (Tja, Joël, du bist eben langsam zu alt!).
Gleichzeitig erfuhr ich aus Magdeburg, dass auch die für St.Gallen startende Mia Ackermann den Einzug geschafft hatte. Wohoo, Freude herscht.

Nach einigem Hin und Her durften wir vier dann in Halle übernachten – Gina, als Halbfinalistin, durfte nämlich am folgenden Nachmittag beim Radio MDR Sputnik vorbeischauen – doch vorher bekamen wir noch ’n Schlummertrunk spendiert und das Frühstück vom nächsten Tage gleich auch noch. Danke Gerrard, war spassig mit dir!

(Zur Auflockerung: Wie macht ’ne Bombe im Bordell? – Puff!)

So sahen wir tags darauf noch was von der wundervollen Hallener? Altstadt und machten uns dann nach vollendetem – typisch pseudo-coolen Jugendradio-Radiosendung – rechtzeitig auf den Weg zurück nach Magdeburg. Immerhin wartete da eine gewisse Vorrunde 3 darauf, von Laurentia und mir moderiert zu werden.

Irgendwie krass wenn man mit ‘nem dutzend u20iger an ’ne Meisterschaft fährt um dutzende weitere talentierte Jungslammer*innen zu treffen und dann doch fast zwei Tage mit denselben fünf Stück verbringt. Aber danke für diese neue Erfahrung, es war schön und zwischendurch sehr, sehr unterhaltsam. (Exactly what you’d expect!)

Vorrunde 5, Sternbar

Eine feine, kleine Location, vielleicht etwas zu intim für ’ne Vorrunde am u20 National, aber Hauptsache es passt dann alles, da es Laures und meine erste gemeinsame Moderation markieren sollte.
Nach einem etwas holprigen Start dank unverständlichen Gesten meinerseits ging es dann vor allem nach der Pause doch recht locker-flockig von unseren Lippen – negatives Feedback kann mir an dieser Stelle gerne persönlich entgegengebracht werden.

Auf die Texte habe ich mich leider nicht allzu sehr konzentrieren können – sorry – ich war schon genug nervös als Moderator im Hochdeutschmantel. Aber trotzdem kann man wohl sagen, dass verdient ins Halbfinale gekommen sind: Clara Porak, Lucia, Hannes Schraner und Helene Ziegler. Moment mal… Hannes Schraner? Genau, noch ein Schweizer Juwelier hat sich ins Halbfinale schleichen können. Whoop, whoop!

Letzte Vorrunde 6 im Hegel-Gymnasium (Halle im Geiste)

Ja, das war ein Punkt für sich: die Schulvorrunde. Wer bei dem Pendant letztes Jahr in Regensburg dabei war, weiss, wie genial solch eine Runde und die Stimmung derselben sein kann. Doch in Magdeburg hatten sie Pech.
Nicht nur, dass die Location – da sie vor allem für Musikveranstaltungen genutzt wurde – ordentlich gehallt hat, sondern aufgrund des späten Beginns musste die Hälfte der anwesenden Schüler*innen die Veranstaltung frühzeitig verlassen.

Zitat (plus minus): «Man fühlte sich wie vor einem Stoppschild. Es hallt.»

Das hielt allerdings die Teilnehmenden nicht davon ab ihr Bestes zu geben, und gleich ordentlich gefordert war Eliane Würmli aus Zürich als erste Starterin. Um dem Echo etwas entgegenzuwirken, entschied sie sich dazu, das Mikro schlicht nicht zu gebrauchen. Bold Move! Und die richtige Entscheidung. Doch das Publikum war leider noch nicht bereit dafür.
Auch Sarah Altenaichinger durfte in dieser Vorrunde starten. Sie verführte das Publikum mit ihrem lyrisch-vielschichtigen Text, doch ihr war der Einzug ins Finale leider nicht vergönnt.
Es qualifizierten sich Julius Keinath, Benjamin Poliak, Marcos Kiel Rosado und Xaver „ Ksafa“ Wienerroither.

Nun sitze ich in Chur (Südwestschweiz) im Vorlesungssaal und berichte über die restlichen Tage. Habe es gestern leider nicht zu Ende führen können. (Wow, diesen Satz hab’ ich vor ’ner Woche geschrieben. Hoffentlich schaffe ich heute den Rest)
Also weiter im Text:

Weitere Schweizer Teilnehmer*innen haben es leider nicht in den Halbfinal geschafft. Aber hey, alle hatten einen riesen Spass und die Zeit sehr genossen. Und überhaupt, es geht doch primär ums Zusammensein, die Liebe der Slamily. Umarmungen, und Bier.

(Zur Auflockerung: Idee für einen Auktionsratgeber: «Vorsicht ist geboten»)

Kommen wir also zu den Halbfinals

Beide fanden gleichzeitig statt und so konnte ich nur eines der beiden mitverfolgen. Im parallel laufenden Halbfinale 1 trat Mia Ackermann die Mammutsaufgabe Finaleinzug zuerst an. Ohne grosse Erwartungen startete sie gelassen in den Wettbewerb und genoss dann auch den Auftritt im Moritzhof. Der Titel als Finalistin blieb ihr zwar verwehrt, aber tolle Erfahrungen – und viele, viele schlechte Witze – konnte sie dennoch sammeln.

Beim Halbfinale 2 im Hörsaal mit Hannes und Gina machte Felix noch vor Beginn gleich ordentlich Stimmung, Jade bezauberte und rief uns ein wenig Französisch zurück ins Gedächtnis (ich habe überraschend viel verstanden – merci beaucoup!) und Marcel stellte uns nach der Pause seine Singer/Songwriter Qualitäten zur Schau – oder zum Gehör. Kompliment.

Gina und Hannes waren beide der ersten 6er-Gruppe des Halbfinals zugelost worden, wovon sich die beiden Punktbesten fürs Finale qualifizieren sollten. Hannes musste als Dritter antreten, brauchte aber gar nicht betreten zur Seite zu schauen, sondern machte einen souveränen Eindruck. Es reichte dann trotzdem nicht ganz, was vor allem an der starken Konkurrenz lag.

Unter anderem in der Form von Gina Walter.
Sie nagte am Zahn der Zeit und schlüpfte gerade noch so ins grosse Finale der deutschsprachigen u20 Meisterschaften im Poetry Slam 2016 in Magdeburg!
Tschüsch, Alti!

Natürlich traten an all den Vorrunden – sechs (6!) an der Zahl – sowie den beiden Halbfinals (2, logischerweise) und dann auch im noch zu besprechenden Finale viele wunderbare, talentierte, knuffige, sympathische, laute, leise, junge, weise, süsse, neue, erprobte, nervöse Poetinnen und Dichter, Wortakrobaten und Lyrikerinnen an, dessen Namen und Auftritte ich sehr gerne auch noch erwähnen wollen würde, ich sie aber entweder nicht gesehen oder nicht mehr im Gedächtnis habe. Aber auch all diesen Nachwuchsslampoet*innen aus der Schweiz, Deutschland, Österreich, dem Südtirol und Luxemburg sei an dieser Stelle mein allergrösster Respekt ausgesprochen und der Dank, mit euch eine wunderliebsamste Woche verbracht zu haben.
Oder um es mit Slamily-Vokabular auszudrücken: Viel Liebe für euch!

Kommen wir also zum – *Trommelwirbel* – langersehnten Finalabend im AMO*
* Anstalt für Magdeburgs Obrigkeit

Das grosse Finale bestritten also Anna-Lena Obermoser, Victoria Helene Bergemann, Helene Ziegler, Finn Holitzka, Teresa Reichl, Benjamin Poliak, Henrike Klehr, Lucia, Yusuf Rieger…
Und mittendrin Gina Walter;* die Baslerin mit dem grossen Herzen.
*höhö
Moderiert wurde dieser prächtige Abschluss von dem famosen Jan Hendrik Heyne, der uns gezeigt hat, dass man es bei einer Moderation NIE mit der Gestik übertreiben kann.

Und es wurde uns einiges geboten. Von ausdrucksstarken Gesellschaftskritiken, über emotionale Momentaufnahmen, bis hin zu Überschallgeschwindigkeits-Wortspielereien. Das Publikum im AMO genoss einen spektakulären Abend, unter anderem dank einem Opferlamm des Vorjahressiegers Jonas Balmer, der seinen Siegertext von Regensburg in überarbeiteter Form und einer Souveränität präsentierte, die mein Herz erwärmen liess.
Anschliessend liess sich das Publikum diese Stimmung auch nicht von den Beatkillaz killen und auch Allie, der Hipster-Gitarrist mit Alt-J-Stimme konnte die Menge nicht vollends zum Schweigen bringen.

Und dann ging es um die Wurst. 22.30 Uhr, finales Stechen. Mit dabei:
Finn Holitzka, ein junger Mann, der sein Bier gerne so trinkt, wie er auftritt: schal
Benjamin Poliak, ein Typ mit Brille, der wohl genauso Sprüche klopfen kann, wie ich
Victoria Helene Bergemann, eine junge Frau mit einem elegant langen Namen

Und alle drei zeigten sie grandiose Performances, doch es konnte nur ein*e Sieger*in geben. Und um die Spannung ins Unermessliche zu steigern, wurden die Wertungen der Juror*innen nicht zusammengezählt, sondern im Geheimen notiert und addiert. Bis zur grössen Enthüllung:

Mit der höchsten Gesamtpunkzahl ging der Titel der u20-Meisterschaften im Poetry Slam in Magdeburg an
Benjamin Poliak!!1!

Was hat man sich gefreut! Es wurde gejubelt, gelacht, geweint, geschrien, es wurden Selfies geschossen, und einige normale Fotos, es wurden Longboards verteilt und bei ganz langen Umarmungen ganz viel Liebe verschenkt.

Anschliessend gings ins Espresso Kartell, wo eine Afterparty stattfand, die seinesgleichen sucht. Stellt euch vor: über 100 Slammer*innen, Slammaster*innen und Veranstalter*innen grölen in einem kleinen Club in der Magdeburger Innenstadt gemeinsam Rolling In The Deep von Adele. Ich habe im Verlaufe des Abends noch ein paar letzte Namen gelernt, von Menschen, die man schon 3 Tage gesehen hat, meine Gebärdensprache-Kenntnisse aufgefrischt und schliesslich viele günstige, herrliche Guiness getrunken.

Und dann kam, was kommen musste. Nein, nicht Wolfs Berliner Techno-Rap, und auch nicht Maras’ Freestyle Session (oder unsere spärlichen Versuche), nein! Sondern eine Dance-Orgie, die sich gewaschen hat. Und dabei ging sogar nur eine Hose kaputt. Ich bot eine liebevolle Hommage an Valerios Spring-Moves dar, Pierre zeigte mal wieder, warum er so oft nach einer Party auf seine Tanz-Fähigkeiten angesprochen wird. Und Hinnerk zeigte sich von alledem unbeeindruckt und zeigte uns allen, wer hier der Köhnich ist.
Und die jungen u20iger konnten nur staunen, und schämten sich ein bisschen.

Was war das für ein Fest!

Ich fasse zusammen:
– selten habe ich an einer Meisterschaft so wenige Runden gesehen, vong Gefühl her,
– selten hatte ich so viel Zeit für mich,
– selten habe ich an einer Gross-Veranstaltung noch was für die Schule getan,
– noch nie hab’ ich das Slammmaster-Meeting so produktiv erlebt,
– selten haben mich die Halbfinaleinzüge derart überrascht,
aber wie in den Jahren zuvor, habe ich alle neuen und alten bekannten Gesichter ins Herz geschlossen!

Moral der Geschicht: Auf dass wir uns im nächsten Jahr, oder ab morgen in Stuttgart, wieder so hart gönnen!
Fabian out *Mic drop* («Shit, mein Laptop»)

Danke nochmals an
Mia Ackermann, den Freigeist
Hannes Schraner, Prinz der Flachwitze
Laurentia Nussbaum, die gute Seele
Pierre Lippuner, unseren Slam-Papi
Gina Walter, die Unverwüstliche (GiNa steht übrigens für „Gicken Nagget“)
Eliane Würmli, die Lach-Sirene
Joël Perrin, den Engagierten
Jonas Balmer, die ruhige Brandung
Sarah Altenaichinger, die leise Kämpferin

klingt übertrieben und komisch – soll es auch!

Denn wenn ihr mich fragt, warum ich eigentlich Slam mache, Slams organisiere und auch u20 Slammaster bin, dann antworte ich nicht (nur) mit:
Bier, Aufmerksamkeit, Bühne, Bier, Whiskey, Bier, Reisen und Bier.

Es sind die Nationals.

Wenn man einfach mal 3 Tage in eine Stadt fahren kann, die man noch nicht kennt. Eine mehrstündige Reise mit Menschen verbringt, die man vielleicht bisher zweimal an einem Slam gesehen hat. In der Stadt dann auf Menschen stösst, die man nur ein, zweimal im Jahr trifft. Mit Slammer*innen plaudert, die man gerade erst kennengelernt hat, aber bereits Insider kreiert. Mit Leuten ein Bier trinkt oder eine Zigarette teilt, dessen Namen man noch nicht mal gelernt hat. Sich gemeinsam über Dinge aufregt, die gerade passieren auf der Welt. Sich gemeinsam überschwänglich freut, über das Weiterkommen einer/eines Starter*in. Und gemeinsam eine gute Zeit geniessen kann.
Lachen, Feiern, Diskutieren, Dance-Battles. Das macht ein National aus.

Und der zeigt dir auch, warum die Poetry Slam Szene Slamily genannt wird.

(Oh, und fast hätt’ ich’s vergessen, es wird, wahrscheinlich, noch eine Kürzestdokumentation zur Meisterschaft)
(Und dann wahrscheinlich einen Text zum grossen National in Stuttgart, vielleicht diesmal von Pierre)